An Silvester findet wieder der Benefizlauf in Hochburg-Ach statt
Einnahmen kommen einer in Not geratenen Österreicherin zu Gute
Hochburg-Ach. „Es sollte ein lustiges, gemütliches Wochenende mit den Geschwistern und Partnern von Hubert werden. Doch alles kam anders...“ So beginnt Maria Kaufleitner ihre Geschichte. Sie ist die Hauptfigur des diesjährigen Seppl-Laufs, der schon zum siebten Mal an Silvester in Hochburg-Ach stattfindet. Bei dem Lauf über fünf Kilometer geht es nicht um großartige sportliche Leistungen, sondern darum, zu helfen: in diesem Jahr der 53-jährigen Hochburg-Acherin Maria Kaufleitner.
Diese musste nicht nur im September den Tod ihres Mannes bei einem Ausflug nach Ungarn meistern, sondern auch die folgende bürokratische Odyssee und die hohen Kosten der Überführung des Leichnahms aus dem Ausland. Ihr Mann, Hubert (55), war seit vielen Jahren schon schwer lungenkrank. Er hatte wegen seiner Sarkoidose bereits zwei Lungentransplantationen hinter sich und um das Ehepaar Kaufleitner und die vier Kinder zu unterstützen, gingen die Einnahmen und Spenden beim Seppl-Lauf vor vier Jahren an Hubert Kaufleitner. Das Haus musste damals behindertengerecht umgebaut werden, Hubert war berufsunfähig, Maria mit ihrem Einkommen als Mesnerin quasi Alleinverdienerin in der Familie. Beim diesjährigen Lauf geht es nun um die verwitwete Maria Kaufleitner.
Denn die kann Unterstützung sehr gut gebrauchen, weiß Herrmann Gasteiger, der gemeinsam mit seinem Freund Walter Kopp den Seppl-Lauf 2010 ins Leben gerufen hat. Damals für seinen Bruder, den Sepp, der nach einem Arbeitsunfall vom Hals an gelähmt ist. Gasteiger und Kopp suchen nun Jahr für Jahr einen Menschen in Hochburg-Ach, der unverschuldet in Not geraten ist – und sie bringen bis zu 1200 Läufer dazu, diesem einen Mitmenschen zu helfen. In finanzieller Hinsicht mit Spenden, aber nicht nur: „Es entsteht eine unglaubliche Energie an diesem Tag“, sagt Gasteiger. „Wenn derjenige, um den es geht, sieht, wie viele Leute da nur wegen ihm gekommen sind – das gibt unglaublichen Auftrieb.“
Das soll auch Maria Kaufleitner zuteil werden. Am Sonntag, 31. Dezember, ab 11 Uhr startet der Seppl-Lauf über fünf Kilometer am Naturfreunde-Haus in Ach. Anmeldung nur vor Ort. Ende des Laufs ist um 14 Uhr. Die 10 Euro Startgebühr sind gleichzeitig die Spende der Teilnehmer. Spenden darf aber natürlich jeder, ob er läuft oder nicht. Mitlaufen (oder gehen) kann jeder, es geht nicht um Geschwindigkeit. Es gibt Glühwein und Punsch, Kaffee, Kuchen und Bratwürstl.
Burghauser Anzeiger / Schönstetter
„Meine unfassbare Geschichte“
Meine unfassbare Geschichte. Das ist die Überschrift, die Maria Kaufleitner über ihre Geschichte schreibt. Und die formuliert sie in der Seppl-Lauf-Tradition selbst:
„Hubert ging es nach seiner zweiten Lungentransplantation im April 2016 bestens. Er war wieder fit und aktiv, er genoss sein drittes Leben in vollen Zügen. So war es auch beim Ausflug der ’Reithgassner-Kinder’ nach Heiligenkreuz im Burgenland, inklusive eines Tagesausflugs nach Ungarn in die Stadt Szombathely. Hubert ging es nach morgendlichen Problemen mit Schmerzen am Brustbein und Blutspucken wieder gut und alle zusammen starteten wir nach Ungarn. Für Hubert war ein Spaziergang an diesem Tag zu anstrengend. Deshalb machte er es sich in einem Gastgarten gemütlich, bis es retour Richtung Österreich ging.
Huberts Schmerzen am Brustbein machten ihm wieder zu schaffen. Es ging ihm nicht gut. Nach einigen Kilometern mussten wir stoppen, Hubert musste erbrechen. Nach einer Weile setzten wir die Fahrt fort, ich schon mit dem Gedanken, ein Krankenhaus aufzusuchen, sobald wir über der Grenze sind. Gerade mal losgefahren, stoppten wir erneut. Aus Huberts Mund und Nase kam bereits blutiger Schaum und er war nicht mehr ansprechbar. Trotz sofort eingeleiteter Reanimation durch die Geschwister und die über Euro-Notruf verständigte Rettung und Notarzt kam jede Hilfe zu spät.
In einer trostlosen Landschaft auf der Straße ohne Namen endete Huberts Lebensreise. Meine Horrorreise begann genau an diesem Punkt.
Durch Zufall wurde Veronika, eine Lehrerin aus Bozsok, informiert, sie möge doch bitte an die Unglücksstelle kommen um zu dolmetschen. Nach einer Weile kam ein Bestattungsunternehmen, um Hubert abzuholen. Würdevoll ist anders. Auf die Nachfrage, wohin man ihn bringe und ob wir noch zu ihm dürfen, wurde mir mitgeteilt, dass er in ein Leichenhaus nach Szombathely gebracht wird. Er sei von nun an bis Montag unter Verschluss, bis ein Arzt zur Totenbeschau kommt. Weder die Polizei noch sonst jemand erkundigte sich nach meinen Daten. Ich stand am Straßenrand ohne Information, an wen ich mich wenden könne. Wir beschlossen, noch am selben Abend die Heimreise anzutreten – ohne Hubert.
Nach dem ersten Schock begann dann am Montag zu Hause der behördliche Wahnsinn. Es startete der erste Telefonmarathon: Erst das Konsulat, hier wurde uns in gebrochenem Deutsch mitgeteilt, dass man uns nicht helfen könne. Dann das Auswärtige Amt in Wien, bis wir bei der österreichischen Botschaft in Budapest landeten. Dort wurde uns erklärt, dass alles normal ablaufe, wie in jedem EU-Land, die üblichen Formulare auszufüllen sind und für die Überführung ein Zinnsarg verwendet werden muss.
Am Dienstagnachmittag erhielten wir den Anruf, dass Hubert endlich freigegeben ist. Mit dem Bestattungsunternehmen plante ich für Donnerstag die Fahrt, um Hubert nach Hause zu holen. Am Mittwochmorgen ein Anruf von unserer Dolmetscherin Veronika: Wir benötigen eine amtliche Bestätigung der Wohnadresse von Hubert und weitere Unterlagen. Wir erkundigten uns am Mittwoch am Gemeindeamt, was zu tun ist, wenn die Sterbeurkunde in ungarischer Sprache verfasst ist. Wer ist gerichtlich beeidet, die für Österreich gültige Übersetzung durchzuführen?
Dann der nächste Dämpfer: Alle Urkunden müssen vor Ort ins Ungarische übersetzt werden. Mindestdauer: drei Werktage. Das bedeutete, wir könnten frühestens am Montag am Amt in Ungarn alles erledigen. Zudem ist es in Österreich Gesetz, dass ein Verstorbener innerhalb von zehn Tagen beerdigt oder verbrannt werden muss. Die Zeit lief, wir wollten uns doch zu Hause von einem Sarg verabschieden und Hubert nicht in Ungarn verbrennen lassen.
Verzweifelt riefen wir erneut in der Botschaft in Budapest an. Dann die Info, wir könnten Hubert nun doch holen, jedoch erhalten wir keine Formulare, diese dauern eine Woche. Um Fassung bemüht, erklärten wir ihnen, dass der Bestatter nicht ohne Totenschein über die Grenze fahren darf. Nach längerem Hin und Her erreichte uns die positive Nachricht, dass die Formulare fertig gestellt werden und wir Hubert über die Grenze holen können.
Mit ziemlich viel Bauchweh starteten wir am Donnerstag um 4 Uhr früh. Um 9.30 Uhr trafen wir am Friedhof in Szombathely ein, wo uns Veronika bereits erwartete. Nach der Begutachtung des Fahrzeuges sowie der mitgebrachten Särge, der Dokumente und nach Bezahlung der bereits entstanden Kosten durften wir endlich in die Kühlung, zu Hubert. Wir durften ihn waschen, ankleiden und in den Zinnsarg umbetten. Dann mussten wir den Zinnsarg verplomben, ehe wir ihn in den Holzsarg für den Transport geben konnten. Wer glaubt, dass dies bereits der größte Teil an Formalitäten war, irrt sich. Nächster Halt: das Amt in Velem.
Die Dokumente wurden kopiert, meine Daten aufgenommen und in vielfacher Weise dokumentiert. Noch nie in meinem Leben musste ich so viel unterschreiben. Ich wusste nicht einmal, worum es sich im Detail handelte. Danach ging es weiter zum Gesundheitsamt. Auch hier wurde nochmals alles genauestens kontrolliert, der Fahrer, das Bestattungsunternehmen, das Auto, die beiden Särge und die Kühlung des Fahrzeuges. Nach diesem Kontrollgang wurden uns die erforderlichen Dokumente übergeben und wir konnten endlich losfahren.
Um 17.30 Uhr überquerten wir den vorgeschriebenen Grenzübergang. Uns fiel ein Stein vom Herzen, jetzt hatten wir es geschafft! Hubert war endlich wieder in Österreich! Voller Erleichterung und nach 960 Kilometern waren wir mit Hubert wieder zu Hause. Nun konnten wir das Rosenkranzbeten und das Requiem mit Urnenbeisetzung vorbereiten. So wie Hubert es sich immer gewünscht hat.
Am Freitag mussten wir uns erneut mit den Behörden in Verbindung setzen, um die Angelegenheit bezüglich der Sterbeurkunde und des Totenscheins zu klären, da ja alle Dokumente auf Ungarisch waren. Nach eineinhalb Wochen, endlosen Telefonaten und behördlichen Hürden konnten ich und meine Familie uns erst mit der Trauer und dem Begräbnis auseinandersetzen.
Ich wünsche keinem, dass er das durchmachen muss, was wir in dieser Zeit erlebt und mitgemacht haben. Man glaubt kaum, welche Hürden man zu bewältigen hat, wenn man nur ein paar Kilometer über der Grenze ist!“